Dass Angststörungen zu den häufigsten psychischen Störungen gehören, ist hinlänglich bekannt. Dass gute und wirksame Therapien zur Verfügung stehen, ist ebenfalls nichts Neues und eine grosse Zahl der Betroffenen profitiert in ambulanten Settings von den therapeutischen Möglichkeiten. Weniger bekannt ist möglicherweise, dass Angststörungen auch derart schwerwiegende Formen annehmen können, dass sie im stationären Rahmen behandelt werden müssen; und ebenfalls noch bekannter werden dürfte die erfreuliche Tatsache, dass es stationäre Angebote gibt, die gezielt auf die Therapie von Angststörungen ausgerichtet sind (sogenannte störungsspezifische Programme).
Ein solcherart störungsspezifisches stationäres Programm wird zum Beispiel von der Privatklinik Wyss in Münchenbuchsee angeboten und soll im Folgenden vorgestellt werden.
Zunächst aber widmen wir uns noch etwas genauer der Frage, warum oder wann eine ambulante Therapie eventuell nicht mehr ausreicht und eine stationäre Therapie nötig wird. Ganz generell gilt: Je einschränkender die Angst ins Leben der Betroffenen eingreift, desto «nötiger» wird eine stationäre Therapie und desto mehr sollte man darüber nachdenken. Ein wichtiges Kriterium für den Grad der Einschränkung ist die Frage, wie viele Lebensbereiche von der Angststörung betrofen sind. Hier gilt: Die Notwendigkeit einer stationären Therapie wächst mit der Anzahl der betroffenen Bereiche. Ein weiterer wichtiger Anhaltspunkt betrifft die zeitliche Dauer einer Angststörung. Auch da gibt es eine einfache Regel: Je länger eine Angststörung besteht, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass stationär therapiert werden muss. Schliesslich ist auch noch von Bedeutung, ob neben der Angststörung weitere psychische Erkrankungen vorliegen, zum Beispiel Depressionen, Persönlichkeitsstörungen oderTraumafolgestörungen, denn auch in diesem Fall reicht das ambulante Setting oft nicht aus. Zusammenfassend also
1. Je stärker die Einschränkung, desto nötiger die stationäre Therapie
2. Der Grad der Einschränkung wird bestimmt durch die Zahl der betroffenen Lebensbereiche, die Dauer der Störung und das Vorliegen weiterer psychischer Erkrankungen
Was sind die Vorteile der stationären störungsspezifischen Therapie?
Vermutlich der wichtigste Vorteil besteht in der hohen Therapie-Dichte. Während Angstpatienten im ambulan-ten Setting auch bei spezialisierten Therapeuten meist einen bis zwei Ter-mine pro Woche bekommen, bietet das stationäre Setting als solches bereits mehrere therapeutische Zeitfenster.
Im Falle des Therapieprogramms der Privatklinik Wyss sind das sieben Termine pro Woche allein im Rahmen des Programms für Angst- u. Zwangs-störungen. Dazu kommen üblicherweise zwei wöchentliche Termine bei den fallführenden Einzeltherapeuten sowie ein Termin bei der Bezugsperson der Pflege. Damit ist das stationäre Setting mit seinen Terminmöglichkeiten gegenüber dem ambulanten Setting im Vorteil. (Korrekterweise muss an dieser Stelle gesagt werden, dass ambulant tätige Kolleginnen und Kollegen aus strukturellen und prozessualen Gründen diese Termin-Dichte gar nicht anbieten können.) Der zweite bedeutsame Vorteil ist inhaltlicher Art: Die Wissensvermittlung und die darauf aufbauenden therapeutischen Anleitungen oder Interventionen sind eben den typischen Eigenschaften von Angststörungen angepasst und ermöglichen dadurch gezielte, wir-kungsvolle Veränderungen. Die Bear-beitung des Problems erfolgt also mit dem passgenauen Werkzeug.
Ein weiterer Vorteil der stationären Therapie besteht in der Möglichkeit der Medikation, die ohne zusätzlichen Aufwand gerade «vor Ort» zusammen mit den übrigen therapeutischen Massnahmen etabliert und kontrol-liert werden kann.
Die hohe Therapie-Dichte einer stö-rungsspezifischen stationären Therapie kann verglichen werden mit der Intensität eines Trainingslagers, wo alle Veranstaltungen letztlich einem bestimmten Ziel dienen, im Sport zum Beispiel einer möglichst guten Leistung in einem Wettkampf. Im stationären Therapieprogramm arbeiten die Beteiligten mit ihren therapeutischen Mitteln ebenfalls in eine gemeinsame Richtung, im Falle von Angststörun-gen in Richtung Verbesserung des Umgangs mit der Angst. Die Angststörung wird also von mehreren Seiten gleichzeitig angegangen, was einer hohen Therapiedosis entspricht und die Chance auf Symptomveränderung erheblich erhöht.
Das stationäre Therapieprogramm der Privatklinik Wyss
Das stationäre Therapieprogramm der Privatklinik Wyss ist ein Gruppenprogramm für maximal 9 Teilnehmerin-nen und Teilnehmer. Es besteht aus drei therapeutischen Bausteinen und einem kunsthandwerklichen Atelier:
1. Psychotherapeutische Gruppe (Kern-angebot). Kognitiv-verhaltenstherapeutisch ausgerichtet, wobei neue Varianten dieser Therapie integriert sind (zBACn.In diesem Teil wird den Patienten einerseits Wissen über das Wesen und die Dynamik von Angststörungen vermittelt; andererseits werden sie in psychologischen Techniken instruiert, die einen günstigeren Umgang mit Angst ermöglichen, was wiederum Freiräume für Ent-scheidungen und selbstbestimmtes Handeln schafft. Auch Klärungsprozesse haben ihren Raum. Frequenz: Zweimal 90 Minuten pro Woche. Zusätzlich gibt es einmal pro Woche einen erlebnisorientierten Teil, wo die Patienten unmittelbar ins Handeln kommen und verschiedenste Dinge ausprobieren können - ausser dem vermeidenden Sicherheitsverhalten. Die Inhalte dieses Teils rei-chen von interaktionellen Expositionen und spontanem Reagieren auf unbekannte Situationen bis zum Ausprobieren der sogenannten appetitiven oder «lustvollen» Aggression mit ihren schützenden Auswirkungen.
2. Körpertherapie/Progressive Muskel-entspannung/Fitness. In der Körper-therapie lernen die Betroffenen, die körperlichen Symptome der Angst selbst zu regulieren, die Selbstwahrnehmung zu verbessern und dadurch die Angst als weniger bedrohlich zu erleben. Die Progressive Muskelent-spannung dient der willentlichen, geführten Entspannung und ist damit das Gegenstück zur unwillkürlichen Anspannung bei Angst. Fitness schliesslich verbessert Aus-dauer und Kraft, was sich generell positiv aufs Wohlbefinden auswirkt. Frequenz: Je einmal pro Woche 60 bzw. 75 Minuten.
3. Die Maltherapie dient der Förde-rung von nicht-verbalem Ausdruck, dem Sichtbarmachen von inneren (Lösungs-)Bildern und der Reakti-vierung von Spontaneität (speziell bei Gruppenbildern). Frequenz: Einmal 120 Minuten pro Woche.
4. Das Töpferei-Atelier schliesslich ist keine Therapie, erzeugt aber über
den Umgang mit dem Material (für einen Erfolg müssen bestimmte Regeln eingehalten werden), die Aktivierung von Ressourcen und den kreativen Prozess sehr wohl therapeutische Effekte. Frequenz: Einmal 120 Minuten pro Woche.
Insgesamt geht es darum, die Handhabung von (bedrohlichen) Gedanken und Gefühlen in einer Weise zu verbessern, dass die Betroffenen nicht mehr flüchten und vermeiden müssen, sondern selbstbestimmt neue Handlungsspielräume öffnen und entscheiden können, wie sie sich verhalten bzw. wie sie handeln wollen. Zentral ist dabei das Expositionsprinzip, also die bewertungsfreie Befassung mit der Angst, mit angstmachenden Gedanken und Körperempfindungen und die Erfahrung, dass nichts Katastrophales passiert. Wie die Patienten diesen Weg gehen können, wird ihnen mithilfe verschiedener Techniken gezeigt, die in erster Linie die Psychotherapie und die Körpertherapie betreffen.
Die minimale Teilnahmedauer am Programm beträgt vier Wochen. Die durchschnittliche Teilnahmedauer liegt bei etwa fünf bis sechs Wochen. Es werden alle Arten der Angststörung behandelt. Die Gruppe wird offen geführt; das heisst, es gibt laufend Ein- und Austritte.
Die Zuteilung zum Programm erfolgt durch eine interne Anmeldung an die Programmleitung. (Es kommt auch vor, dass Betroffene bei eindeutiger Indikation bereits vor Klinikeintritt fürs Programm angemeldet werden. In diesem Fall werden Klinikeintritt und Programmstart nach Möglichkeit koordiniert.) In der Regel findet dann ein Vorgespräch zwischen Patient und Programmleitung statt, das einerseits die Indikation klärt oder erhärtet und andererseits der ersten Kontaktaufnahme sowie der Information über die Gegebenheiten des Programmes dient (therapeutische Möglichkeiten, minimale Dauer, einzuhaltende Regeln etc.). Der Einstieg ins Pro-gramm erfolgt zum nächstmöglichen Zeitpunkt.
Wie weiter oben bereits erwähnt, kommen die Betroffenen neben dem Programm in den Genuss von zwei Einzelsitzungen bei den Fallführenden. Diese Sitzungen werden zur Bearbeitung von Themen genutzt, welche in der Gruppe aus unter-schiedlichen Gründen nicht zur Sprache kommen (zu intim, zu wenig Zeit etc.). Die fallführenden Kolleginnen/ Kollegen sind in Absprache mit den Leitenden Ärztinnen/Ärzten ausser-dem für die Medikation zuständig, wenn eine solche notwendig ist. Pflegerisch wird nach dem Bezugspersonen-Prinzip gearbeitet. Das heisst, dass für jeden Patienten eine Person der Pflege primär zuständig ist. Im wöchentlichen Gespräch mit der Bezugsperson der Pflege wer-den einerseits therapeutische Emp-fehlungen und Erfahrungen vertieft; andererseits werden dort auch ganz handfeste Fragen des Alltags besprochen (zum Beispiel Organisation von Behördengängen; Kontakte mit Versicherungen; Erstellen von Wochenplänen für die Zeit ausserhalb der Klinik etc.). Damit leistet die Pflege einen wichtigen Beitrag zum therapeutischen Gesamtprozess.
Der wöchentliche· Programmrapport stellt die inhaltliche Koordination des Angebotes sicher. Weiter besteht an einem grossen interdisziplinären Austausch mit den Abteilungen/Fallführenden jede Woche die Möglichkeit, sich gegenseitig auf den neusten Stand zu bringen. Falls nötig, kann auch jederzeit im kleinen Rahmen und spontan mit der Fallführung oder der Pflege oder weiteren in die Therapie eingebundenen Personen Rücksprache genommen werden.
Was soll bzw. kann erreicht werden?
Grundsätzlich geht es um die Rück-eroberung von Frefüeit sowie Entscheidungs- und Handlungsspielraum. Die Frage, inwieweit das möglich ist, wird von mehreren Faktoren beein-flusst: Erstens von der explizit erfrag-ten Vorstellung der Patienten, was sie mithilfe des Programms erreichen möchten; zweitens von der professi-onellen Einschätzung der therapeutischen Möglichkeiten, die, drittens, auch vom Schweregrad der Störung abhängig sind. Im günstigsten Fall stimmen Zielvorstellungen der Pati-enten und therapeutische Möglichkeiten weitgehend überein; die Chance für deutliche Verbesserungen ist dann sehr gross (Verblassen der Angstsymptome, Zunahme der Lebens- und Alltagsfähigkeit sowie der Lebensqualität). In anderen Fällen kann mithilfe des Programms zumindest eine neue (technische) Grundlage für den hilf-reicheren Umgang mit Angst geschaf-fen werden, die den Betroffenen immerhin wieder etwas Boden gibt. Sie bekommen Anhaltspunkte, wie ein günstiger Umgang mit Angst aus-sehen könnte, was fast immer zu Verhaltensänderungen führt (auch wenn diese nur klein sind) und sich auch für die Suche nach einer nachstationären Therapie in der Regel als hilfreich erweist. Die Patienten wissen dann wesentlich besser, woran sie sich bei der Fortführung der Therapie orientieren können.
Portrait Privatklinik Wyss AG
Moderne Therapien in einer Klinik mit Tradition - seit 1845
Mit dem Gründungsjahr 1845 ist die Privatklinik Wyss AG die älteste psychiatrische Privatklinik der Schweiz und in sechster Generation im Besitz der Familie Wyss. Seit 2006 ist sie, als erste psy-chiatrische Fachklinik, Mitglied der Swiss Leading Hospitals und strebt im Auftrag der Patientinnen und Patienten, Zuweisenden und weiterer Partner nach exzellenten Leistungen in sämtlichen Bereichen der Klinik. Das Angebot umfasst eine individualisierte Diagnostik, sowie eine psychia-trische, psychotherapeutische und psychosomatische Behandlung. Als Listenspital des Kantons Bern hat die Privatklinik Wyss AG einen psychiatrischen Grundversorgungsauftrag und nimmt Grund- und Zusatzversicherte mit Wohnsitz im Kanton Bern auf und heisst ausserkantonale, zusatzversicherte Patientinnen und Patienten ausdrücklich willkommen. Die Klinik ist bekannt für ihre familiäre Atmosphäre, sowie die Behandlung von Depression,Angst, Stressfolgestörungen (Burnout) und Krisenintervention. Neben den stationären und tagesklinischen Behandlungen bietet die Klinik mehrsprachige, ambulante Angebote in Bern und Biel an. Die Klinik ist Aus- und Weiterbildungsstätte für Fachärztinnen/Fachärzte, Psychologinnen/Psychologen, Pflegefachper-sonen und für Lernende in der Hauswirtschaft und Gastronomie.